Interview: 15 Jahre WEX

Am 30. Januar 2004 startete der erste Lehrgang «Diplomierte Wundexpertin / Diplomierter Wundexperte SAfW» mit 18 Teilnehmenden bei H+ Bildung in Aarau. Bereits kurz nach der ersten Ausschreibung wurde klar, dass der Lehrgang ein eigentliches Bildungs-Vakuum im Bereich Wundbehandlung traf. Aktuell wird der 55. Lehrgang durchgeführt.
Der Lehrgang ist in erster Linie für diplomierte Pflegefachpersonen, die in ihrem Alltag oft Menschen mit sekundärheilenden Wunden pflegen, ausgerichtet. Durch eine kontinuierliche Evaluation und Weiterentwicklung können aktuelle Erkenntnisse aus der Wundbehandlung und Methodik in den Lehrgang aufgenommen und integriert werden.

Die beiden Wundexpertinnen Heidi Meili-Herrmann und Doris von Siebenthal haben die Wundbehandlung in der Schweiz in den letzten 15 Jahren stark geprägt.

Sie haben den WEX Lehrgang mitinitiiert. Wie kam es dazu?

Heidi Meili und Doris von Siebenthal: Wir haben uns im Herbst 2001 an einer Fortbildung kennengelernt. Beide hatten wir die Vision, dass in der Schweiz eine schweizerisch geführte Ausbildungsmöglichkeit für Pflegende, die sich im Themenbereich Wundbehandlung spezialisieren wollen geschaffen werden sollte. Erste Ideen wurden kreiert. Uns war wichtig, dass der Lehrgang an eine professionelle Institution gebunden und fachlich gut betreut ist. Keinesfalls wollten wir eine «1-Personen-Abhängigkeit» schaffen. Wir suchten also Partnerinstitutionen und wurden mit H+ Bildung fündig. Bei dieser Institution verliefen die Gespräche sec und unkompliziert, wir kamen gut voran und bald waren H+ Bildung und SAfW (Schweiz. Gesellschaft für Wundbehandlung) unter Vertrag, ein erstes Curriculum konnte erstellt werden.

Was hat sich in den letzten 15 Jahren in der Wundbehandlung verändert?

Doris von Siebenthal: Erst 1997 wurde die SAfW gegründet. In verschiedenen Spitälern entstanden erste Konzepte für Wundbehandlung. Deutschsprachige Literatur für Wundbehandlung gab es nur wenige, Zeitschriften noch keine. Bei Operationen im Bauchbereich war noch sogenannte Sandoz-Plaque zum Stabilisieren der Bauchnaht normal und postoperative Wundheilungsstörungen im Bauchbereich wurden häufig mit nassen Tüchern feucht gehalten. Die Entwicklung und Verbreitung der heute nicht mehr wegzudenkenden Wundvakuumtherapie begann zu dieser Zeit. Patienten mit Wunden wurden verbunden aber eigentlich wenig «therapiert». So wie sich die Pflege und Medizin enorm verändert haben, haben sich auch die Wundbehandlung und die Ansätze der möglichen Ursachenabklärung und Therapiemöglichkeiten verändert. Wunden sind aber immer noch häufig eine Folge einer chronischen Erkrankung und entsprechend häufig komplex.

Heidi Meili: Die Anerkennung des Fachgebietes Wundbehandlung ist mit der Entwicklung stark gewachsen. Die Zusammenarbeit von Fachärzten/-ärztinnen und Wundexperten/-expertinnen ist mehrheitlich sehr erfreulich.
Die Wund-Patienten suchen sich Spezialisten und wollen von diesen behandelt werden. Eine allgemeine Ärzte- oder Pflegekraft empfinden sie nicht selten per se als zu wenig spezialisiert für ihr Anliegen.
Über die Tarife DRG (für stationäre Patienten), Tarmed (für ärztlich geführte ambulante Patienten) und Spitex-Tarif (für die pflegerisch geführten Patienten) werden dieselben Verrichtungen sehr unterschiedlich abgegolten. Die Patienten sind darüber schlecht informiert.
Um bessere Rendite zu erzielen haben nun einige mit Tarmed abrechnenden Institutionen begonnen, MPAs anstelle von Wundexpertinnen einzustellen. Ich zweifle an diesem Denkmuster, denn der meines Erachtens sehr wichtige pflegerische und beratende Anteil würde damit verschwinden.

Was können die Gründe sein, dass dieser Lehrgang eine so starke Nachfrage hat?

Heidi Meili: Die Wundbehandlung ist ein spannendes Fachgebiet, erfordert vernetztes Denken und emotionales wie auch haptisches Fingerspitzengefühl. Viele der Teilnehmenden empfinden die Weiterbildung als sehr hilfreich für ihren Alltag, weil die Wundbehandlung auch zur allgemeinen Pflege gehört. Der Bezug liegt nahe.

Doris von Siebenthal: In den Grund-Ausbildungen wird Wundheilungsphysiologie und Wundpflege-behandlung nur marginal gelehrt. Ein Feld, welches bisher von vielen Arztinnen und Ärzten als wenig interessant eingestuft wurde und deshalb auch eine Möglichkeit für Pflegende ist, sich eigenständig zu positionieren.
Wundverbände und die Wundberatung gehören ins Aufgabengebiet vielfältiger Berufsgruppen, Ärzten und Ärztinnen, Pflegefachpersonen, Podologen/-innen, Apotheker/-innen, Praxisassistentinnen.
Durch einen Bundesverwaltungsgerichtsentscheid vor zwei Jahren  werden die Kosten der  Pflegehilfsmittel  für Leistungserbringer die nicht unter Tarmed abrechnen (und damit auch die Materialien, die für die Wundpflege benötigt werden) nicht mehr durch die Krankenkassen übernommen. Die Restkostenfinanzierung für diese Materialien durch Gemeinde und Kantone ist immer noch offen.  

Was sind Ihre Visionen?

Heidi Meili: Die Patienten sollen mit hohem Fachwissen und mit effizienten Massnahmen, entsprechend ihren persönlichen Zielen, behandelt werden können. Dazu braucht es nicht für jede Verrichtung Fachexperten. Die Massnahmen sollten gut koordiniert sein, somit ist ein kleineres oder grösseres Management einfach nötig. Ich wünsche mir, dass wir die Zusammenarbeit optimieren können und dass jeweils eine Lead- und Bezugsperson innerhalb des Behandlungsteams bestimmt werden kann und dies auch finanziell fair abgegolten wird.

Doris von Siebenthal: Eine interprofessionelle Zusammenarbeit aus Überzeugung: wir benötigen die verschiedenen Sichtweisen, um die Wundbehandlung weiterentwickeln zu können.
Vision: Fachwissen und nicht Hierarchie zählt und wird entlohnt.

Wie binden Sie neue Erkenntnisse in den Unterricht ein?

Doris von Siebenthal: Häufig ist es eine Frage aus einem Lehrgang, oder aus meiner eigenen Berufspraxis die mich veranlasst «nächtelang» eine Antwort zu suchen und zu verarbeiten. Dieses Wissen kann ich in meinem Spitalalltag einflechten, reflektieren, Erfahrungen machen und wieder im Unterricht weitergeben.
Fragen stellen, zuhören, beobachten, nachdenken, tun und viel lesen.

Heidi Meili: Lesen, was andere schon wissen, davon profitiere ich gerne. Ich lerne auch viel aus Fehlern, welche ich oder andere gemacht oder fast gemacht haben. Das Innehalten und Bewusstwerden von Möglichkeiten und Zusammenhängen erweitert mein Wissen und meine Erfahrung. Es befähigt mich, Erkenntnisse weiterzugeben
Es scheint mir wichtig, dass wir Wundexperten untereinander den Kontakt pflegen, und dass neues Wissen gestreut wird.

       
 

Doris von Siebenthal
Co-Präsidentin Pflege SAfW
Pflegeexpertin MSc/APN Wundpflege
Kantonsspital Baden AG

 

 
Heidi Meili-Herrmann
Dipl. Wundexpertin SAfW, Dipl. Pflegefachfrau
Spital Bülach

 

 

 

 

 

 

Mehr Informationen zum Lehrgang

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